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                                                            Dachatlas 1975 / 1980: Geneigte Dächer:  Dachtragwerke - Dr.-Ing. Wolfgang Brennecke

Abgestiebte Pfettendächer ohne Zangen

Die Stiele von Pfettendächern versah man bisher oft mit Streben, um die Pfetten unverschieblich zu lagern und so horizontale Auflagerkräfte der Sparren aufnehmen zu können [110].

Als Begründung dafür wurde gewöhnlich gesagt, bei größerer Dachneigung waren die horizontalen Windkräfte nicht mehr in die Fußpfette einzuleiten. Tatsächlich ist dies bei Winddruck überhaupt kein Problem - die Klauen können sehr große Horizontalkräfte übertragen. Bei Windsog ist u.U. eine Verankerung nötig (vgl. Seite 82), sie ist jedoch unschwer auszuführen. Andererseits lässt sich der gewünschte Erfolg gar nicht mit der Anordnung von Streben erreichen, weil diese tatsächlich kaum Horizontallast aufzunehmen vermögen:

Die Sparren sind durch Klauen und Sparrennagel auf einer verankerten Fußpfette befestigt. Sobald sich die obere Pfette durchbiegt, weil sie Last erhält, drehen sich die Sparren geringfügig um ihren Fußpunkt [111 links]. Die auf der oberen Pfette ruhenden Auflager der Sparren beschreiben dabei Kreisbögen, können sich also nur gleichzeitig zur Seite und noch unten bewegen. Bei den üblichen flachen Neigungen ist die Verschiebung nach unten stärker.

Natürlich erfolgt eine horizontale und vertikale Verformung der Pfetten nur, wenn in den beiden Richtungen entsprechende Kräfte wirken. Diese stehen aber nicht im selben Verhältnis zueinander wie die Durchbiegungen. Mit Rücksicht auf das Überwiegen der senkrechten Belastung verwendet man ja stets hochformatige Pfettenquerschnitte - diese sind horizontal viel nachgiebiger als senkrecht. Um eine bestimmte waagerechte Ausbiegung zu erzeugen genügt deshalb eine wesentlich geringere Kraft als für eine entsprechende senkrechte Verformung erforderlich ist.

Das Beispiel zeigt das von einer horizontalen Last hervorgerufene Kräftespiel [111 rechts]. Bei 37° Dachneigung und einem Verhältnis der Pfettenbreite zur Pfettenhöhe von 1 : 2 werden hier nur 12% der waagerechten Belastung von der Pfette aufgenommen, der Rest wird als Sparrenlängskraft abgeleitet.

Es kommt aber noch ein weiterer, bisher außer acht gelassener Umstand hinzu: Die Lagerung von Mittel- und Firstpfetten ist horizontal wesentlich nachgiebiger als vertikal. Tatsächlich stellen sich deshalb schon erhebliche senkrechte Kräfte ein, bevor die Aufnahme waagerechter Kräfte überhaupt beginnt.

Andererseits ruft bei horizontal unverschieblich gelagerten Pfetten nicht nur waagerechte, sondern auch senkrechte Belastung Horizontalkräfte hervor: wo die obere Pfette sich durchbiegt, spreizen die Sparren Fußpfette und obere Pfette auseinander [112]. Dadurch können die Sparrennägel überlastet werden.

Abgestrebte Pfettendächer bieten also in konstruktiver Hinsicht keinerlei Vorteil, manchmal aber spürbare Nachteile. Es sind aufwendige, nicht zu empfehlende Tragwerke.

Pfettendächer mit Streben und Zungen

Das in Deutschland auf bestehenden Gebäuden häufigste Tragwerk ist das abgestrebte Pfettendach mit Zangen [113]. Es ist noch weniger sinnvoll als die zangenlose Ausführung: Während die Streben bei jener in der Regel Zug- und Druckkräfte übertragen können, sind sie hier meistens nur druckfest angeschlossen. Sie bleiben daher völlig wirkungslos, wenn Winddruck ihre Dachseite belastet [114].

Auch der gegenüberliegenden Strebe kann die horizontale Windkraft nicht zugewiesen werden, weil die Verbindung zu ihr nur aus schmalen Zangen besteht, die gewöhnlich nicht die erforderliche Knicksicherheit besitzen.

Die waagerechten Anteile des Winddrucks werden daher auch bei diesem Tragwerk von den Sparren zu den Fußpfetten geleitet, während die Pfetten das Gleichgewicht der Sparren allein durch senkrechte Kräfte herstellen.

Natürlich kann man die Streben auch hier zug- und druckfest anschließen [115]. Ein sinnvolles Tragwerk entsteht dadurch genau sowenig als wenn man die Zangen knickfest ausbildet: die Konstruktion ist ja auch ohne diese Bauteile vollkommen standfest.

Das abgestrebte Pfettendach ist mit und ohne Zangen unzweckmäßig und unwirtschaftlich, man sollte diese veraltete Form meiden.

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